Donnerstag, August 7, 2025
Technologie

Weltraumanwendungen der Zerspanung – wie CNC-Maschinen ins Vakuum vordringen

Noch vor wenigen Jahren klang die Vorstellung, dass Werkzeugmaschinen im Zustand der Schwerelosigkeit arbeiten, wie reine Science-Fiction. Heute wird sie Wirklichkeit – die hochpräzise Zerspanung hält Einzug in den Weltraum. Unter Mikrogravitationsbedingungen werden erste Geräte getestet, die es ermöglichen, mechanische Bauteile direkt im Orbit herzustellen. Ein technologischer Durchbruch, der die Durchführung bemannter Missionen revolutionieren und künftig den Bau von Infrastruktur auf fernen Planeten ermöglichen könnte.

Warum Zerspanung im All?

Der Transport jedes einzelnen Gramms in den Orbit kostet tausende Dollar. In Notfällen kann das Fehlen eines passenden Bauteils das Leben der Besatzung gefährden oder eine Mission zum Scheitern bringen. Deshalb arbeiten Raumfahrtagenturen wie NASA, ESA und JAXA intensiv an der Idee sogenannter „orbitaler Fabriken“, die die Herstellung von Komponenten vor Ort ermöglichen.

Die Zerspanung – neben dem 3D-Druck – spielt dabei eine Schlüsselrolle, weil sie:

  • die Herstellung hochbelastbarer Bauteile erlaubt,
  • eine präzise Reparatur und Aufarbeitung vorhandener Komponenten ermöglicht,
  • für Materialien eingesetzt werden kann, die nicht druckbar sind.

NASA-Experiment – die ersten Drehmaschinen im Orbit

Im Jahr 2017 führte die NASA in Zusammenarbeit mit Made In Space erste Versuche zur Metallbearbeitung unter Mikrogravitation an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) durch. Die Experimente umfassten:

  • Fräsen und Bohren von Aluminium,
  • die Analyse des Verhaltens von Spänen unter Schwerelosigkeit,
  • die Untersuchung der Auswirkungen von Mikrovibrationen und Spannungen auf den Zerspanungsprozess.

Zentrale Herausforderungen:

  • fehlender Spanabfall – Abfälle fallen nicht nach unten, sondern schweben und können elektronische Systeme verunreinigen,
  • Kühlung ohne Konvektion – fehlende Schwerkraft verhindert natürliche Wärmeableitung,
  • kein stabiler Werkstückhalt – Zerspankräfte können zu Drift der Maschine oder des Werkstücks führen.

Lösungen bestanden u. a. in geschlossenen Bearbeitungskammern mit Vakuumsystemen sowie magnetischen und pneumatischen Spannvorrichtungen.

TOKAR CNC Technology

Zerspanung und 3D-Druck – komplementäre Technologien

Obwohl sich der 3D-Druck im All schneller entwickelt, wird er die Zerspanung nicht vollständig ersetzen. Bauteile, die hohe Maßgenauigkeit, glatte Oberflächen oder spezielle mechanische Eigenschaften erfordern (z. B. Dichtungen, rotierende Teile, Werkzeuge), müssen weiterhin zerspant werden.

Zukünftig ist eine Kombination beider Technologien denkbar: Druck + Zerspanung in einem Modul, also sogenannte hybride additiv-subtraktive Fertigung, die bereits auf der Erde von Firmen wie DMG Mori und Mazak getestet wird.

Zukunftsvision – Werkzeugmaschinen auf dem Mond und Mars

Im Rahmen der Programme Artemis und Moon Village planen NASA und ESA, erste bemannte Stationen auf dem Mond mit mobilen Mikrofabriken auszustatten. Ihre Aufgaben:

  • Herstellung von Werkzeugen und Bauelementen aus lokalen Rohstoffen (Regolith),
  • Reparatur von Infrastruktur unter extremen Bedingungen,
  • Reduzierung der Transportkosten für Ersatzteile von der Erde.

Langfristig soll dieses Konzept auch bei Marsmissionen zum Einsatz kommen – dort wird Unabhängigkeit von der Erde essenziell sein.

Späne im All – mehr als nur Metall

Auch wenn oft von Aluminium- oder Titanbearbeitung die Rede ist, laufen bereits Versuche zur Bearbeitung von:

  • Kohlenstofffaserverbundwerkstoffen – für tragende Strukturen,
  • Technischen Polymeren – z. B. PEEK, verwendet in 3D-Druckern im All,
  • Recyclingmaterialien – z. B. aus gebrauchten Missionsbauteilen zurückgewonnen.

Dies ebnet den Weg für ein zirkuläres Produktionsmodell im Weltraum, in dem jedes Bauteil zum Rohstoff für ein neues werden kann.

Fazit

Zerspanung im Weltraum ist mehr als nur eine technische Kuriosität – sie ist ein realistischer Entwicklungspfad, der bereits heute in Orbitalmissionen Anwendung findet. Auch wenn noch viele Herausforderungen bestehen, zeigen die ersten erfolgreichen Experimente der NASA: Fertigung im All ist möglich. Und wenn die Menschheit zum Mond, zum Mars oder noch weiter aufbricht – werden Drehmaschinen, Fräsen und Mikrofabriken mit an Bord sein.

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